Selbstbestimmter Schutz mit HIV PrEP
Für trans, nicht-binäre und inter Menschen
HIV-negative trans, nicht-binäre und inter Menschen haben die Möglichkeit, sich durch die HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe (HIV PrEP) wirksam vor einer Infektion zu schützen. Dieses Medikament verhindert, dass HIV sich im Körper vermehrt, wenn es über sexuelle Kontakte aufgenommen wird. Die Wirksamkeit der PrEP ist dabei unabhängig davon, ob Hormone eingenommen oder geschlechtsangleichende Operationen durchgeführt wurden. Ein großer Vorteil der HIV PrEP ist, dass die HIV-negative Person die Kontrolle über den eigenen Schutz hat und diesen eigenständig organisieren kann.
Wie wird HIV übertragen?
HIV wird durch Körperflüssigkeiten wie Blut, Sperma, Analsekret und Frontholesekret übertragen, vor allem bei hoher Viruslast. Eine Ansteckung erfolgt, wenn diese Flüssigkeiten mit Schleimhäuten oder kleinen Verletzungen im Anal- oder Genitalbereich in Kontakt kommen. Auch das Teilen von Nadeln birgt ein hohes Risiko, da infiziertes Blut direkt übertragen werden kann.
Oralverkehr birgt ein sehr geringes Risiko, da die Mundschleimhaut das Virus meist abwehrt. Ein erhöhtes Risiko besteht nur bei offenen Wunden oder Zahnfleischbluten. Schutzmaßnahmen wie Kondome oder Lecktücher senken das Risiko zusätzlich.
Moderne Therapien wie PrEP und ART reduzieren die Ansteckungsgefahr erheblich. Eine erfolgreiche antiretrovirale Therapie kann die Viruslast unter die Nachweisgrenze senken („U=U“), wodurch HIV nicht mehr übertragbar ist. Regelmäßige Tests helfen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und weitere Übertragungen zu verhindern.
Die richtige Einnahme der HIV PrEP
Damit die HIV PrEP effektiv wirkt, muss ein ausreichender Wirkstoffspiegel im Körper aufgebaut werden. Dazu gibt es eine klare Einnahmestrategie:
Lead-in-Phase (Beginn der HIV PrEP-Einnahme)
Um die Schutzwirkung zu gewährleisten, werden 24 bis 2 Stunden vor dem ersten sexuellen Kontakt 2 Tabletten eingenommen. Anschließend wird täglich etwa zur gleichen Zeit eine weitere Tablette eingenommen. So bleibt der Schutz durchgehend bestehen.
Während der Einnahme der HIV PrEP sollten regelmäßig HIV-Tests durchgeführt werden, um eine mögliche Infektion frühzeitig zu erkennen. Dadurch kann eine sofortige Behandlung erfolgen, falls eine Infektion festgestellt wird. Zudem ist es wichtig, regelmäßig ärztliche Kontrollen durchzuführen, um eine Resistenzbildung gegen das Medikament zu vermeiden.
Lead-out-Phase (Beenden der HIV PrEP)
Wenn die HIV PrEP abgesetzt wird, muss darauf geachtet werden, dass der Wirkstoffspiegel nicht zu früh absinkt. Der notwendige Zeitraum hängt von der körperlichen Konfiguration ab:
Dx2-Schema (2 Tage Einnahme nach dem letzten Sex)
- Trans Frauen und nicht-binäre amab Menschen ohne OPs, mit Orchiektomie oder mit Neo-Vulva.
- Trans Männer und nicht-binäre afab Menschen mit Hysterektomie und Kolpektomie, mit Metaplastik und Kolpektomie oder mit Phalloplastik und Kolpektomie.
- Intergeschlechtliche Menschen mit Penis, mit Orchiektomie, mit Neo-Vulva oder mit Kolpektomie.
Dx7-Schema (7 Tage Einnahme nach dem letzten Sex)
- Trans Frauen und nicht-binäre amab Menschen mit Neo-Vagina.
- Trans Männer und nicht-binäre afab Menschen ohne OPs, mit Hysterektomie ohne Kolpektomie, mit Metaplastik ohne Kolpektomie oder mit Phalloplastik ohne Kolpektomie.
- Intergeschlechtliche Menschen mit Vagina oder Neo-Vagina.
Wichtige Hinweise zur PrEP-Nutzung
Die HIV PrEP ist eine effektive Methode zum Schutz vor HIV, ersetzt aber keine anderen Safer-Sex-Praktiken wie Kondome oder Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STIs). Regelmäßige Tests auf HIV und andere STIs sind essenziell, um den Schutz aufrechtzuerhalten und mögliche Infektionen frühzeitig zu erkennen.
Zu beachten ist, dass die HIV PrEP nur vor einer HIV-Infektion schützt, aber nicht vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STIs). Daher wird empfohlen, ergänzend weitere Schutzmaßnahmen wie Kondome zu verwenden. Zusätzlich sollte die PrEP-Einnahme individuell mit einer medizinischen Fachkraft besprochen werden, um sicherzustellen, dass sie die richtige Präventionsmethode für die jeweilige Person ist.
Dank der Unterstützung durch die gesetzliche Krankenversicherung ist die PrEP eine zugängliche Schutzstrategie für trans, nicht-binäre und inter Menschen. Wer sich für die HIV-PrEP interessiert, kann sich bei spezialisierten Ärzt*innen oder Beratungsstellen umfassend informieren.
Hier sind kurze Erklärungen zu den Fremdwörtern
Eine Orchiektomie bezeichnet die operative Entfernung der Hoden, während eine Hysterektomie die chirurgische Entfernung der Gebärmutter umfasst. Die Kolpektomie ist der medizinische Eingriff zur Entfernung der Vagina. Im Rahmen geschlechtsangleichender Maßnahmen gibt es verschiedene chirurgische Verfahren, darunter die Metaplastik, eine Technik zur geschlechtsangleichenden Genitalrekonstruktion bei trans Männern, sowie die Phalloplastik, bei der ein Penis chirurgisch geschaffen wird. Für trans Frauen oder intergeschlechtliche Menschen kann eine Neo-Vagina konstruiert werden, ebenso wie eine Neo-Vulva, die eine chirurgisch geschaffene Vulva darstellt. Zudem gibt es Begriffe zur Beschreibung der bei der Geburt zugewiesenen Geschlechtskategorie: amab (assigned male at birth) bedeutet, dass eine Person bei der Geburt als männlich eingeordnet wurde, während afab (assigned female at birth) auf eine weibliche Zuordnung hinweist.
Expert*innen für sexuelle Gesundheit
Alexander Hahne ist Referent für sexuelle Gesundheit, spezialisiert auf sexuelle Bildung für Erwachsene. Neben seiner Tätigkeit als Bodyworker und Tänzer arbeitet er als systemischer Sexualtherapeut. Sein Angebot umfasst Vorträge sowie Fort- und Weiterbildungen für Fachkräfte. Darüber hinaus bietet er Einzel-, Paar- und Polybegleitungen an, um Menschen bei sexuellen Lernprozessen und der Körperwahrnehmung zu unterstützen. Ergänzend dazu organisiert er Gruppenangebote, die praktische Erfahrungen ermöglichen.
Dr. Martin Viehweger ist Infektiologe und engagierter Aktivist für sexuelle Gesundheit. Er setzt sich insbesondere für trans*Medizin und die gesundheitliche Aufklärung in den Bereichen Chemsex sowie Körperarbeit und manuelle Therapie ein. Sein Fokus liegt darauf, umfassende medizinische Betreuung und Unterstützung für trans und nicht-binäre Menschen bereitzustellen und deren Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung zu verbessern.